Pilotprojekte schaffen Raum für ganztägige Bildung
In Ulm hat die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft die Ergebnisse des ersten Pilotprojekts „Ganztag und Raum“ an die Stadt übergeben. Zugleich beginnt der Auswahlprozess weiterer Pilotkommunen.
Seit März 2022 hat die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft im Rahmen des Pilotprojekts „Ganztag und Raum“ die Ulmer Martin-Schaffner-Schule dabei begleitet, ein zukunftsgerichtetes pädagogisches und räumliches Ganztagskonzept zu entwickeln. Am Mittwoch, 19.04.2023, wurden die Ergebnisse dieses mehr als einjährigen Prozesses im Bürgerhaus Mitte in Ulm der Öffentlichkeit präsentiert. Dabei übergaben die Stiftungsvorständinnen Barbara Pampe – Architektin – und Dr. Meike Kricke – Pädagogin – die digitale Dokumentation an Bürgermeisterin Iris Mann.
„Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, um an der Martin-Schaffner-Schule in den bestehenden Räumlichkeiten einen zukunftsfähigen Ganztag umzusetzen, der auf einer zeitgemäßen inklusiven Pädagogik basiert“, so Meike Kricke. Dabei geht das pädagogische Konzept Hand in Hand mit einer veränderten Raumplanung. Das erarbeitete Konzept beinhaltet konkrete Vorschläge für Umbaumaßnahmen und eine neue Möblierung. „Im Projekt Ganztag und Raum konzentrieren wir uns bewusst auf den Umbau von Schulgebäuden“, sagt Barbara Pampe: „Denn viele Kommunen müssen den steigenden Bedarf an Ganztagsplätzen im vorhandenen Gebäudebestand decken. Gleichzeitig müssen wir im Zuge der notwendigen Transformation des Bauwesens hin zur Klimagerechtigkeit vor allem Lösungen im Bestand entwickeln.“
Dokumentation des Prozesses in Ulm und der Ergebnisse
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„Wir danken allen Mitwirkenden für ihr Engagement, ein solches Nutzungskonzept für alle am Schulleben Beteiligten entwickelt zu haben und nehmen den Staffelstab nach einem Jahr Projektphase gerne entgegen“, so Bürgermeisterin Iris Mann. Um das Projekt fortzuführen und die Umsetzung des Konzepts in die Wege zu leiten, hat die Stadt Ulm die entsprechenden personellen Kapazitäten geschaffen. „Wir freuen uns nun auf die weitere Umsetzung des Projektsund möchten den Staffelstab nicht nur an der Martin-Schaffner-Grundschule sprichwörtlich bis ins Ziel tragen, sondern vielmehr unter Berücksichtigung der Kriterien eines zukunftsfähigen Bauens auch an weitere Schulen übergeben“, so Iris Mann.
Weitere Pilotprojekte folgen
Das Projekt an der Martin-Schaffner-Schule hat Signalwirkung für ganz Deutschland. Es ist das erste von insgesamt fünf Pilotprojekten, die die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft im Rahmen des Projektes „Ganztag und Raum“ durchführt. Derzeit läuft der Auswahlprozess für die weiteren vier Piloten: Mehr als 40 Städte und Gemeinden haben sich bei der Stiftung um eine Unterstützung bei der Entwicklung eines zukunftsfähigen Ganztagskonzeptes beworben. Die endgültige Auswahl der Pilotschulen trifft eine hochkarätig besetzte Fachjury Mitte Juni. Über Netzwerkveranstaltungen können auch alle anderen interessierten Kommunen von den Prozessen profitieren.
Das große Interesse erklärt sich auch durch das „Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter“, das 2026 stufenweise in Kraft tritt. Dieses spricht jedem neueingeschultem Kind einen Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung zu. Laut einer Schätzung des Erziehungswissenschaftlers Klaus Klemm wird sich dadurch der Bedarf an Ganztagsplätzen in der Primarstufe bis 2030 um 1,2 Millionen erhöhen. Allein aus Platzgründen wird das viele Schulen und Schulträger vor Herausforderungen stellen. „Vielerorts funktioniert ganztägige Bildung noch immer nach dem Prinzip ‚vormittags Schule – nachmittags Betreuung‘. Aber indem wir dieses Prinzip auflösen und beide Bereiche durch kindgerechte Rhythmisierung und multiprofessionelle Teamarbeit verzahnen, lassen sich nicht nur die vorhandenen Räume besser nutzen“, sind sich Barbara Pampe und Meike Kricke einig: „Hierin liegt auch eine große Chance, inklusive ganztägige Bildungseinrichtungen weiterzuentwickeln – von der reinen Betreuung hin zu einem qualitätsvollen ganztägigen Bildungsangebot, das die Bildungsgerechtigkeit der Kinder fördert.“
Deswegen geht es nicht nur darum, vorhandene Räume anders zu planen und über den ganzen Tag zu nutzen. Denn um qualitative ganztägige Bildung umzusetzen, müssen sich auch die Strukturen ändern: Lehrkräfte und Pädagogische Mitarbeiter*innen müssen im Team arbeiten und ein gemeinsames Bildungsverständnis leben. Und das muss sich in den Angeboten zum ganztätigen Lernen widerspiegeln, sodass die Schüler*innen in ihren Stärken gefördert werden und den Tag gemäß ihren Bedarfen nach Aktivität, Rückzug und Austausch verbringen können.
Lern- und Lebensort zugleich
Wie das aussehen kann, zeigt das neue Ganztagskonzept der Martin-Schaffner-Schule. Vor Ort haben der Ulmer Architekt Christian Schmutz und die Pädagogin Andrea Rokuß den Prozess gemeinsam mit der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft begleitet. Zusammen mit den Lehrkräften, den Pädagogischen Mitarbeiter*innen, den Schüler*innen, der Abteilung Bildung und Sport der Stadt Ulm, die zugleich Schul- und Ganztagsträger ist, sowie dem Gebäudemanagement haben sie in Workshops und Exkursionen ein sogenanntes integriertes Nutzungskonzept entwickelt.
Das neu entwickelte Konzept folgt dem Gedanken, einen Ort zu schaffen, der Lern- und Lebensort zugleich ist. Im Zentrum steht die Idee, nicht mehr zwischen Räumen für den Vormittag und für den Nachmittag zu unterscheiden, sondern alle verfügbaren Räume über den gesamten Tag hinweg zu nutzen. Dabei sollen je zwei Lerngruppen mit einem festen multiprofessionellen Team eine „Wohngemeinschaft“ bilden: Neben gemeinsam genutzten Räumen wie einem Leiseraum mit Bibliothekscharakter, einem Teamraum für die Vor- und Nachbereitung sowie Besprechungen und einem Themenraum steht jeder Lerngruppe wie in einer WG je ein eigener Raum zur Verfügung. Diese „Homebase“ bietet einen Ort für Austausch, Input und (Klein-)Gruppenarbeiten. So zeigt das Konzept für die Martin-Schaffner-Schule in Ulm, wie sich ein zukunftsfähiger Ganztag in bestehenden Gebäuden umsetzen lässt.
Hintergrundinformationen
Über die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft
Die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft ist eine unabhängige gemeinnützige Stiftung und gehört zur Gruppe der Montag Stiftungen in Bonn. In ihren Handlungsfeldern Pädagogische Architektur, Bildung im digitalen Wandel und Inklusive ganztägige Bildung engagiert sie sich für eine chancengerechte Alltagswelt, an der alle Menschen gleichberechtigt teilhaben können und die Kindern und Jugendlichen bestmögliche Entwicklungs- und Bildungschancen eröffnet. In ihrem Handlungsfeld Pädagogische Architektur macht sich die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft für einen zukunftsfähigen, nachhaltigen und inklusiven Schulbau stark. Dabei verbindet sie die zwei Disziplinen, die im Schulbau eng zusammengehören: Denn gute Schulen brauchen sowohl pädagogische Konzepte, die Kinder und Jugendliche optimal begleiten als auch Räume, die diese Konzepte ermöglichen und unterstützen.
Über die Montag Stiftungen
Die Montag Stiftungen sind eine unabhängige und gemeinnützige Stiftungsgruppe in Bonn. Zu ihr gehören die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, die Montag Stiftung Urbane Räume, die Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft und die Montag Stiftung Denkwerkstatt. Im Sinne des Leitmotivs „Handeln und Gestalten in sozialer Verantwortung“ arbeiten die Stiftungen jeweils operativ eigenständig und projektbezogen in den Handlungsfeldern Pädagogische Architektur, Chancengerechte Stadtteilentwicklung, Teilhabe in der Kunst, Bildung im digitalen Wandel, Zukunftskonzepte und Inklusive ganztägige Bildung.
Die Carl Richard Montag Förderstiftung als Dachstiftung und Eigentümerin des Stiftungsvermögens finanziert die projektbezogene Stiftungsarbeit im Sinne des Stifters Carl Richard Montag. Unterstützt wird sie von der Montag Stiftung Denkwerkstatt als Impulsgeberin und Ideenschmiede, die auch die strategische Beratung sowie die übergeordnete Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der Stiftungsgruppe verantwortet.