6. OGS-Akademie: Potenziale der Zusammenarbeit
„Gemeinsam stark! Handlungsfähigkeit bewahren in Zeiten der Corona-Pandemie“
Im Rahmen der 6. OGS-Akademie gingen Aktive aus Jugendhilfe, Schule und Verwaltung dialogisch der Frage nach, welche Potenziale der Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe genutzt werden können, um flächendeckend mehr Bildungsgerechtigkeit im deutschen Bildungssystem zu fördern. Bildungsexperte Siegfried Arnz gestaltete dazu den inhaltlichen Diskussionsrahmen für den gemeinsamen Austausch.
Unser Bildungssystem ist vielfach geprägt von Strukturen, die benachteiligte Kinder und Jugendliche ausgrenzen. Durch die Corona-Pandemie wird dieses Tendenz noch verstärkt. Doch nicht erst jetzt ist diese Schieflage im deutschen Bildungssystem bekannt: Mindestens seit PISA 2000 wird diese Erkenntnis immer wieder diskutiert. Eine Maßnahme, die aus dem PISA-Schock resultierte, war die bundesweite Einführung der Ganztagsschule im Jahr 2003.
.. vom Wollen, „warmen Duschen“ und einem ganzheitlichen Lernbegriff
Vor diesem Hintergrund war Zielstellung der 6. OGS-Akademie gemeinsam in den Dialog zu kommen, um die Potenziale der Kooperation von Schule und Jugendhilfe an Offenen Ganztagsgrundschulen für alle Kinder zu erörtern – im Sinne von Selbstwirksamkeitserfahrungen und der Förderung von Gestaltungskompetenzen.
In einem Einstiegsinterview legte Siegfried Arnz, freiberuflicher Bildungsexperte, dar, wer unter dem Begriff „Risikoschüler“ oder „Risikoschülerin“ zu verstehen ist (Armut, Subkulturen, Parallelgesellschaften, wenig Lernmotivation, geringes Selbstvertrauen und Schuldistanz), was diese Kinder und Jugendlichen brauchen und warum wir im deutschen Schulsystem so langsame Fortschritte bezüglich Bildungsgerechtigkeit erzielen. Auch Unterstützungsimpulse für Ganztagsschulen ließ er einfließen und betonte dabei insbesondere die Kooperation von Schule und Jugendhilfe als eine entscheidende Gelingensbedingung, bzw. deren Ausweitung ins Quartier hinein im Sinne von regionalen/kommunalen Bildungsnetzwerken. Thematisiert wurden dabei auch die zentralen Steuerungsaufgaben von Schulaufsicht und den weiteren beteiligten Playern auf kommunaler Steuerungsebene, um nachhaltige Veränderungsprozesse zu entwickeln und aktiv zu gestalten.
„Maßnahmen zur Förderung von Risikoschülerinnen und -schülern –
Potenziale der Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule – auf allen Ebenen“
Als Grundvoraussetzungen für nachhaltige Veränderungen nannte Siegfried Arnz „Wertschätzung, Partizipation und Beziehungsorientierung“ und der wirkliche „Wille zur Veränderung“. Dabei ließ er praktische Beispiele aus seiner Zeit als Schulleiter einer Berliner Hauptschule und später als Abteilungsleiter bei der Bildungsverwaltung Berlin einfließen, in der er u.a. verantwortlich für die Schulaufsicht und die Schulstrukturreform war: Verschiedene Beteiligungsformate, z.B. bei Streitschlichtungskonzepten, über von den Schüler/-innen erarbeitete Regeln der Toilettennutzung oder Ausbildungskooperationen mit Unternehmen, wie z.B. Mercedes Benz.
Im Anschluss tauschten sich im virtuellen Raum rund 30 Teilnehmende zu den bisherigen Erfahrungen in den eigenen Einrichtungen aus und reflektierten den Umgang mit den neuen Herausforderungen. Zwei Dialogrunden gaben dazu den gemeinsamen Rahmen. Im Plenum wurden die gesammelten Impulse geteilt. Eine Teilnehmerin erläuterte: „In der Diskussion ist mir positiv aufgefallen, dass sich unser Lernbegriff geweitet hat und wir selbstverständlich in dieser Runde von einem Zusammenspiel formalen, nonformalen und informellen Lernens ausgehen. Wenn wir allen Kindern einen Ort des Lebens und Lernens bieten wollen, dann geht dies nur mit diesem ganzheitlichen Bewusstsein und der gemeinsamen Gestaltung dieses Ortes mit Jugendhilfe und Schule.“ Zur Förderung von Selbstvertrauen berichtete eine Teilnehmerin über die „warme Dusche“, bei der den Kindern ihre positiven Eigenschaften aus der Gruppe und den Lernbegleitenden rückgemeldet werden: „Die Kinder schweben anschließend aus dem Raum“ war ihre Erfahrung. Diskutiert wurde aber auch über die an Schulen oft fehlende ästhetische Gestaltung des Lernraums, die auch eine Art Wertschätzung darstellt und zum Aufbau verlässlicher Beziehungen beitrage. „Hier wünsche ich mir mehr Augenmerk und Verantwortungsübernahme auf Verwaltungsebene!“. Auch floss in die Diskussion das aktuelle Förderprogramm für benachteiligte Kinder und Jugendliche ein, das vom Bund angeboten wird. „Ganz wichtig ist uns hier aus dem ganzheitlichen Verständnis heraus, dass wir den Kindern erst einmal den Spaß und die Freude, die Lust am Lernen zurückbringen wollen, statt sie nur mit formalem „Stoff“ zu belasten.“ Auch wurde der Zusammenklang von verschiedenen (Bildungs)professionen – aus Schule, Jugendhilfe, Kunst, Musik, Tanz, Sport – als großes Potenzial diskutiert, um allen Kindern auch nach dieser einschneidenden Pandemiezeit einen sicheren und guten Rahmen zum gemeinsamen Lernen, Gestalten und sich Entwickeln zu bieten.
„Danke für die Impulse und den Austausch – ich gehe mit mehr WOLLEN heute hier raus“, resümierte eine Teilnehmerin.
Zum Nachlesen:
Arnz, Siegfried: „Risiko-Schüler/-innen nachhaltig für das Lernen gewinnen – was diese Kinder und Jugendlichen wirklich brauchen und wie Schule und Schulaufsicht unterstützen können. Schulverwaltung Spezial, 2/2021.