Orte der Demokratie

Das Planungsteam für die Open Embassy kommt aus den Niederlanden

8. Mai 2024

Stegreif-Workshop 23. – 25. April 2024

Vom American Embassy Club zur Open Embassy for Democracy

In dem denkmalgeschützten, aber stark sanierungsbedürftigen Gebäude des früheren American Embassy Clubs (heute kurz: der Amerikanische Club) im Bonner Stadtteil Plittersdorf soll in den nächsten Jahren die »Open Embassy for Democracy« (OPEM) entstehen. Die Open Embassy gGmbh, die das Projekt realisieren möchte, gehört zu den Montag Stiftungen, die mit ihrer Arbeit in verschiedenen Handlungsfeldern gesellschaftliche Diskurse anstoßen, Beiträge zum Gemeinwohl leisten und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Die Open Embassy soll zu einem Ort werden, an dem Demokratie praktisch erfahrbar wird, an dem Demokratie erforscht und experimentell weiterentwickelt wird, an dem Impulse gesetzt und Debatten auf vielen Ebenen, im Großen wie im Kleinen angestoßen und geführt werden. Ende April hat die Open Embassy fünf Teams aus Architekt*innen und Landschaftsarchitekt*innen zu einem dreitägigen kooperativen Stegreif-Workshop auf den Campus der Montag Stiftungen eingeladen. Dabei stand nicht die Finalisierung einer baulichen Lösung für den Amerikanischen Club im Vordergrund, sondern die Qualifikation mit einem individuellen Gestaltungsansatz und einer überzeugenden Arbeitsweise für den weiteren Planungsprozess. Die Jury unter Vorsitz von Volker Staab empfahl das Team Korteknie Stuhlmacher Architecten BV (Rotterdam, NL) und H+N+S landschapsarchitecten (Amersfoort, NL) einstimmig für die weitere Zusammenarbeit.

Der Amerikanische Club heute

Der Ort und seine Geschichte

Nachdem Bonn im November 1949 zum vorläufigen Sitz von Parlament und Regierung gewählt worden war, entschied die US-amerikanische Hochkommission, in die provisorische Hauptstadt zu ziehen. Die Dienststelle des „High Commissioners of Germany“ (HiCoG) bezog Schloss Deichmannsaue, wenige Kilometer flussabwärts entstand innerhalb von 9 Monaten eine Siedlung mit 458 Wohnungen für die amerikanischen Bediensteten und ihre Familien. Die Plittersdorfer HiCoG-Siedlung wurde von Sep Ruf und Irene Meissner (Städtebau), Otto Apel (Apel-Letocha-Rohrer-Herdt), Hermann Mattern und Heinrich Raderschall (Landschaft) im schnell (re-)adaptierten Stil des Neuen Bauens mit breiten Straßen und vollständiger Infrastruktur entworfen. Neben Schule, Kirche und Kino gehörte auch der 1951 in die Uferlandschaft gebaute American Embassy Club.

Der American Embassy Club steht leicht erhöht auf einem zum Rheinufer hin sanft abfallenden parkähnlichen Gelände. Mit fließenden Räumen und großzügigen Öffnungen, in die mit dem markanten Kamin auch der Prairie Style eingeflossen war, lieferte die Architektur des Pavillons einen Gegenentwurf zur Monumentalität NS-Zeit und vielleicht auch eine Antwort auf die Frage: „Wie baut die Demokratie?“ Bis zum Hauptstadtbeschluss und dem dadurch bedingten Umzug der amerikanischen Botschaft nach Berlin 1999, fanden im American Embassy Club unzählige Veranstaltungen statt, mit denen der amerikanische Lifestyle in die temporären Heimat importiert wurde. Die großzügigen Räume, jeweils etwa 1.000 Quadratmeter in Erdgeschoss und Souterrain, der weite Blick über die vorgelagerte Terrasse und die offenen Freiflächen auf den Rhein, boten einen außergewöhnlichen, fast familiären Rahmen zur Pflege internationaler Beziehungen, zur gelebten Demokratie. Doch seit dem Verkauf der Amerikanischen Siedlung an die Vereinigte Bonner Wohnungsbau AG (Vebowag) verfiel der ungenutzte Club zusehends. Seit 2001 steht das gesamte Ensemble unter Denkmalschutz. Einen großen Einschnitt bildet darin der Neubau der Bonn International School, der ab 2005 auf dem Grundstück der alten Schule zwischen Siedlung und Club errichtet wurde.

Für die Open Embassy for Democracy bietet der ehemalige Amerikanische Club einen historisch und politisch geprägten, einzigartigen Freiraum zur Umsetzung ihrer programmatischen Ideen.

Ausgewählt für die weitere Projektbearbeitung

Korteknie Stuhlmacher Architecten BV + H+N+S landschapsarchitecten

Das Entwurfsteam aus den Niederlanden sieht den „Club am Rhein“ und spricht mit einem auf die Rheinpromenade mündenden Zugang eine freundliche Einladung aus. Mit Wegen und wegebegleitenden Sitzmauern erzeugen sie eine organische Terrassierung des Geländes, die mit unterschiedlichen Vegetationsbildern (von der Hartholzaue bis zum Wadi) eine ökologische Anbindung an das Ufer herstellt und den öffentlichen Raum bewohnbar macht. Die autogerechte Vorfahrt an der Stirnseite des Clubhauses ersetzen die Verfasserinnen mit einem großzügigen, versatil bespielbaren Rheinbalkon und schaffen damit einen erheblichen Mehrwert im Außenraum. Die Schule wird hinter einem Hopfenzaun ausgeblendet.

Die für das Clubhaus vorgeschlagenen Maßnahmen zeigen einen respektvollen Umgang mit dem Bestand. Die Architektinnen haben die vorhandene und baulich erkennbare Zonierung des Gebäudes aufgegriffen und weiterentwickelt. Als zentrales und gleichzeitig verbindendes Element schlagen sie eine Gemeinschaftsküche vor. Der Küchentisch als Inbegriff eines demokratischen Ortes überwindet die Exklusivität des Hauses, verbindet leger und formell, als Bar bringt er Arbeit und Fest zusammen. Die Öffnung des Bodens in der nordwestlichen Gebäudeecke und der Einbau eines als Sitztreppe gestalteten Atriums zeigen einen beherzten Eingriff in die Substanz. Neben einem außergewöhnlichen Raum erzeugt dieser auch erstmals eine adäquate Verbindung der beiden Geschosse, durch die das Souterrain eine enorme Aufwertung erfährt. Mechthild Stuhlmacher nannte den Prozess, den sie anstoßen möchte, „Stoffwechsel“. Während die Oberflächen von Wänden und Decken im EG weitgehend erhalten bleiben, wird die Technik in intelligente maßgefertigte Holzmöbel integriert, die gleichzeitig raumbildend wirken und eine wohnliche Atmosphäre erzeugen - als Referenz führte sie die Stadtbibliothek in Mechelen (BE) an. Im EG sind die Übergänge von Raum zu Raum fließend und das Nebeneinander der Funktionen vielstimmig, die Materialtöne wirken, der Eindruck ist zeitlos und gediegen. Im UG gibt es Farben, (Neben-)Räume und Nutzungen sind hier spezifisch und deutlich introvertierter. “Das Team Korteknie Stuhlmacher / H+N+S hat sich ausgesprochen feinfühlig in das Programm der Open Embassy eingearbeitet“, hob Dr. Nina Lemmens, Geschäftsführerin der OPEM, hervor. „Mit diesem Verständnis ist es ihnen gelungen, die ursprünglich sehr exklusive Haltung des Amerikanischen Clubs in eine warme Sprache zu übertragen und das Haus im besten Sinne zugänglich zu machen.“

Historische Fotos des Amerikanischen Clubs

In der engeren Wahl

SUMMACUMFEMMER und atelier le balto

Für SUMMACUMFEMMER und atelier le balto führt der Weg vom Amerikanischen Club über die Bauhütte zur Open Embassy. Wie der Deutsche Biennalepavillon im Sommer 2023 „Open for Maintenance – Wegen Umbau geöffnet“ war, zielt ihr stark prozessorientierter Vorschlag darauf ab, bereits während der auf drei Jahre angelegten Umbau- und Sanierungsphase die Möglichkeit zur Sichtbarmachung und Bespielung von Gebäude und Freiraum zu nutzen. Durch das abschnittsweises Reparieren, einen suffizienzorientierten Ansatz (Baustoffrecycling in situ), die Einbeziehung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus der gesamten Bundesrepublik (Kooperationen mit Jugendbauhütten, Universitäten und berufsbildenden Schulen) sowie die Erprobung aktueller Forschungsergebnisse (nachhaltige Baumaterialien und Wassermanagement) möchten die Verfasser*innen konkrete Lösungen für die sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit anbieten. Zeichenhaft platzieren SUMMACUMFEMMER in der Mitte des Clubhauses einen Regenwassertank in einem offenen Atrium. Atelier le balto verflechten Haus und Garten der Open Embassy mit zwei sich überlagernden Strukturen: Der Bereich vor dem Gebäude fällt sanft zum Ufer hin ab, terrassierte Bänder flankieren ihn seitlich, während eine schwungvoll mäandrierende Durchwegung die Rheinseite zur barrierearmen Haupterschließung macht. Der südliche Terrassengarten wird bis auf den heutigen Vorplatz hochgezogen und ermöglicht eine enge Bezugnahme von Architektur und Freiraum. Mit der vorhandenen und neu eingebrachten Vegetation werden sowohl Aspekte der Biodiversitätsförderung als auch Möglichkeiten zur aktiven gärtnerischen Pflege und Aneignung durch Nutzer*innen aus Schule und Nachbarschaft integriert.

Die Jury stellte fest, dass bedingt durch die prozessorientierte Offenheit die Gestaltungsziele und die räumlichen und atmosphärischen Qualitäten sowie die Bezüge zu Ort und Geschichte nur ansatzweise eingeschätzt werden können. Diskutiert wurde auch, wie das partizipative Konzept an einem bislang sozialräumlich eher isolierten Ort umgesetzt werden kann und wie professionelle Bauarbeiten und Selbstbauprozesse parallel organisiert werden können. Dennoch stellt der Vorschlag, den Umbauprozess als Labor zu gestalten, „einen herausragenden Beitrag für die Idee dar, den Ort über eine partizipativen Bauprozess mit einer großen Vielfalt an Menschen wieder zu bespielen und so ein neues Bild für einen Ort der Demokratie zu schaffen“, so die Jury.

Der Stegreif-Workshop

INFORMATIONEN

Zum Verfahren: Der dreitägige kooperative Stegreif-Workshop, an dem fünf Teams aus Architekt*innen und Landschaftsarchitekt*innen teilgenommen haben, wurde auf dem Campus der Montag Stiftungen in Bonn durchgeführt. Der Workshop diente der Open Embassy gGmbH zur Auswahl eines Planungsteams für die weitere Entwurfsbearbeitung, das sich mit einem innovativen Gestaltungsansatz (ästhetisch, materiell, prozessual) und einer überzeugenden Arbeitsweise für die zukunftsgerichtete Transformation der denkmalgeschützten Bestandsimmobilie und ihres Standorts profilieren konnte. Aufgabenstellung und Planungsunterlagen wurden den Teams vier Wochen vor Workshopbeginn zur Verfügung gestellt. Jedem Team wurden Kost und Logis sowie ein Honorar für die Teilnahme am Workshop gezahlt.

Verfahrensbetreuung: Jochem Schneider bueroschneidermeyer (Köln) mit Prof. Dr. Ulrich Pantle (Saarbrücken/Ludwigsburg)

Teilnehmende Teams

Beratungsgremium / Jury

Sachverständige

Dr. Nina Lemmens
Tel.: +49 228 26716 651

Über die Open Embassy

In der Open Embassy (OPEM) sollen ganz unterschiedliche Menschen zusammenkommen, um sich über die aktuellen Herausforderungen zu informieren und auszutauschen, der sich sowohl das politische/gesellschaftliche Konzept „Demokratie“ sowie viele demokratisch verfasste Staaten zurzeit ausgesetzt sehen. Eingeladen sind ausdrücklich Besucher*innen und Teilnehmer*innen aus allen Teilen der Gesellschaft. Die Open Embassy soll ein Ort sein, an dem Teilhabe an Demokratie praktisch erfahren wird. Hier kann man sich über den Wert der Demokratie informieren und Bedingungen zum Gelingen und Scheitern demokratischer Prozesse kennenlernen. Zugleich werden hier Ideen und Konzepte zur Stärkung, zum Schutz, zur notwendigen Wandelbarkeit von Demokratie und allen mit ihr verbundenen Aspekten erarbeitet und von der Open Embassy nach außen und in die Zukunft getragen: „doing democracy“.